Freitag, 28. August 2015

Neues Jahr, neues Glück!

Mein erstes Ausbildungsjahr habe ich hinter mir, damit schon die Hälfte der Zeit "abgesessen". Das Jahr beim Weingut Knipser war sehr schön. Es war lehrreich aber auch anstrengend, die Leute waren nett und locker drauf, der Zeitplan aber auch häufig straff. Ich habe dieses Jahr aber sehr genossen und die Belegschaft und Familie Knipser haben mir solides Wissen mit auf den Weg in mein zweites Weingut gegeben. Und genau dort befinde ich mich seit nunmehr 4 Wochen und erlebe eine komplett andere Art des Weinbaus...

Das Gutsgebäude mit der beeindruckenden Lage "Altenberg" im Hintergrund

Ich befinde mich an der Saar, der "kühlen Schwester der Mosel". Entlang des Flusses ragen steile Weinberge empor, die der Gegend ihren unverwechselbaren Charakter geben. An vielen Stellen kann man auch von einer rauen Landschaft sprechen. Oft bildet Schieferverwitterungsgestein die oberste Bodenauflage. Um meinen Aufenthaltsort zu konkretisieren: Ich befinde mich auf einer Insel, links und rechts fließt der Fluss an mir vorbei. Die Ortschaft heißt Kanzem. Wobei halt, ich befinde mich ja gar nicht auf der Insel, sondern auf der anderen Seite der Saar. Folgt man den Bahngleisen bei Kanzem Richtung Saarburg stößt man auf ein schmiedeeisernes Tor hinter dem sich ein Anwesen großen Ausmaßes erahnen lässt. Das Gutshaus macht schon Eindruck und wirkt doch einladend, macht neugierig darauf, welche Geheimnisse sich darin verbergen. All das gehört zum Weingut von Ǒthegraven, das auf einer Fläche von ca. 15 Hektar nur Riesling anbaut. Ausgebaut wird dieser in allen Varianten, vom klassischen Gutswein bis hin zur TBA. Alles spontan vergoren versteht sich! Zu den Lagen zählen Kanzemer Altenberg, Wiltinger Kupp, Ockfener Bockstein und Wawerner Herrenberg. Vorkommende Erziehungsarten sind sowohl Einzelpfahl als auch Drahtrahmen. Markant ist vor allem die Lage Altenberg (als längste Steillage Europas, bis zu 250 m lang) mit bis zu 85% Steigung (so steil wie das Matterhorn).


Hier kann man wirklich schon
davon sprechen, den Weinberg zu
"erklimmen"
Die neue Mannschaft. Winzermeister,
Praktikantin und ich...
Und in den Weinbergen begann auch mein erster Arbeitstag. Auf dem Programm stand Pflanzenschutz. Den Anfang machten dabei Weinberge der Lage Ockfener Bockstein. Nicht ganz so steil wie der Altenberg, aber auf jeden Fall steil genug. Gearbeitet wird mit einem großen Spritzfass und 70 bar Druck auf dem Schlauch. Dann dürfen sich zwei Personen händisch austoben und die Spritzbrühe auf die Reben "auftragen". Ein echter Knochenjob. Diese Art der Arbeit, für mich komplett neu, sorgte nach etwa 10 Minuten für schmerzende Finger, eine schmerzende Hand und einen schmerzenden Arm. Nach nochmals 10 Minuten waren die Hände eingeschlafen und der Schmerz egal. Das Schlimme nur: Bei jeder neuen Parzelle ging der Spaß von vorne los, weil sich der Arm in der kleinen Pause dazwischen wieder einigermaßen erhohlt hatte...
Auch wenn es anderweitig genug zu tun gab, so war Pflanzenschutz doch die Hauptaufgabe für fast 2 Wochen meiner bisher 4, die ich hier verbracht hab. Highlight war sicherlich das Spritzen im Altenberg. Wie oben schon beschrieben ist der Berg in manchen Teilen wirklich sehr steil! Aber es ist ein geiles Gefühl dort zu arbeiten. Wer schon einmal Bear Grylls einen Geröllhang hat herunterstolpern sehen, der kann sich ungefähr denken, wie es dort mit der Schieferauflage abgeht... Du bewegst dich mit unglaublicher Geschwindigkeit (wenn man möchte!) den Hang hinunter, du kannst dir bei keinem Schritt sicher sein, ob du wirklich Halt hast oder nicht doch auf dem Sitzfleisch landest. Der Ablauf ist immer gleich: Nach rechts/links gehen, 4 Reben den Hang hinauf spritzen, am Rand der Parzelle umdrehen und zur Mitte zurück, dabei 4 Reben den Berg runter bearbeiten. In der Mitte dann zusammen 8 Reben runter gehen und das Spiel wiederholt sich.
Einzelfpahlerziehung, Riesling,
Pflanzenschutz...
Die Pumpe geht mit der Zeit immer schneller und die Anstrengung macht sich bemerkbar, obwohl man ja eigentlich bergab geht. Doch unten angekommen sieht die Welt ganz anders aus. Erleichterung, die Arbeit ist getan und die Anstrengung hat erstmal Pause. Doch dann fängt die wirkliche Arbeit erst an: Der Aufstieg zum Gipfel quasi... 200 m extreme Steigung mit ziemlich hinterhältiger Schieferauflage, die dem Fuß oftmals keinen sicheren Halt bietet. 10 Minuten brauchte ich beim ersten Versuch bis ich oben war.
Ein klein bisschen Hilfe ist
echt angenehm!
Beim zweiten Mal dauerte es noch länger. Glück hat man dann, wenn der Kollege früher als man selbst oben ist (beide Male der Fall) und so nett ist (nicht beide Male der Fall) und den Schlauch schon wieder mit Maschinenkraft einholt. Dann kann man sich wie im Bild nebenan zu sehen zumindest etwas beim Klettern unterstützen lassen. Doch anstrengend bleibt es nichts desto trotz! Und da ist es auch kein Wunder, wenn man oben angekommen erst einmal etwas Wasser und eine längere Pause braucht... Zusätzlich zu der standortbedingten Anstrengung war es an den meisten der Pflanzenschutztermine auch noch sehr warm, was nochmal sehr kräftezehrend wirkte.

Doch ich hatte natürlich auch anderes in dieser Zeit zu tun, Filtrieren (Schichten- und Kieselgurfilter), Entblättern (auch in der Steillage, Ockfen), Arbeiten im Zwischenstockbereich, Pflegemaßnahmen an Rasen und Parkanlage, Herbstvorbereitungen (blitze-blank-putzen) im Keller und die letzte Woche abschleifen und lackieren von Gartenstühlen und -bänken. Zwischendurch unterschiedlichste knappere Aufgaben, alles lehrreich und schön zu arbeiten. Und Schlepper (Traktor) fahren, so wie es sich im Leben des Winzers auch doch schon irgendwie gehört durfte ich natürlich auch schon...

Das Team vor Ort ist genial, alles sehr nette Leute, hilfsbereit, kompetent und sehr bedacht etwas beizubringen. Und deswegen freue ich mich auch schon sehr auf das Wochenende. Denn morgen und am Sonntag findet der Saar Riesling Sommer in der Gegend statt, für den die letzten Tage viel vorbereitet wurde. Und mit diesem Team wird das eine sehr gelungene, interessante Veranstaltung werden... Der Auftakt für 11 weitere tolle Monate in denen ich eine Menge lernen und erleben werde. Und das alles in einem tollen Umfeld und einer zauberhaften Region.



Alle Bilder wurden geschossen von Marco, dem Winzermeister meines Vertrauens

Von ihm stammt übrigens auch folgendes Zitat, das mir seit es gefallen ist, nicht mehr aus dem Kopf geht und das ganz gut auf diese bisher 4 Wochen Lehre passt: Steil ist geil!


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